Buchenwald

Fußball und das KZ Buchenwald

Was hat Fritz Löhner-Beda, der Dichter des Buchenwald-Liedes, mit dem Wiener Fußball zu tun? Spielten Häftlinge im KZ Buchenwald Fußball? In welcher Beziehung stand der frühere deutsche Fußballnationalspieler Fritz Förderer zur Buchenwalder SS? Diesen und anderen Fragen konnten Besuchende der Gedenkstätte Buchenwald in den Sommermonaten auf dem ehemaligen Lagergelände nachgehen. Das Ziel der Ausstellung und des Blogs war es nicht nur, Schlaglichter auf ein bis dahin weitgehend unbekanntes Thema zu werfen. Es ging zudem darum, mit dem Thema Fußball neuen Zielgruppen, etwa Sportvereinen aus der Region, zu ermöglichen, sich die Geschichte des Ortes mit ihrer Perspektive, mit ihren Fragestellungen zu erschließen.

Ein Informationsstele auf einem weiten, offenen Platz unter blauem Himmel. Auf der Stele ist ein historisches Schwarz-Weiß-Foto mit der Überschrift „Fußball auf dem Appellplatz“ zu sehen. Die Stele enthält Textinformationen zur Nutzung des Platzes im Konzentrationslager Buchenwald. Im Hintergrund ist ein großes Gebäude mit rotem Ziegeldach zu erkennen, dahinter ein bewaldeter Horizont. Die Szenerie wirkt ruhig und klar, in starkem Kontrast zur historischen Bedeutung des Ortes.
Foto: Katharina Brand
© Gedenkstätte Buchenwald

Im Zentrum der Ausstellung standen die Lebensgeschichten von (ehemaligen) Fußballern, Fußballfunktionären und Mäzenen, die die NS-Verfolgungsbehörden aus unterschiedlichen Gründen in das KZ Buchenwald und seine Außenlager verschleppten. Sie führen eindrücklich vor Augen, wie sich der Vereinsfußball in Deutschland ab 1933 unter den Vorzeichen einer rassistischen Diktatur veränderte. Für Männer wie Arthur Herz, Fußballer und Vereinsmitglied des FC Schalke 04, oder Julius Lehmann, der seine Fußballschuhe für Eintracht Frankfurt schnürte, war nun kein Platz mehr. Weil sie den antisemitischen Gesetzen nach als Juden galten, schlossen ihre Vereine sie aus. Gleiches galt für Funktionäre wie Ludwig Isenburger, der als Sportjournalist lange Zeit die Öffentlichkeitsarbeit der Frankfurter Eintracht verantwortet hatte, nun jedoch seinen Presseausweis verlor. Viele von ihnen waren unter den Männern, die die SS nach den Novemberpogromen von 1938 in das Pogromsonderlager auf dem Appellplatz des KZ Buchenwald pferchte, um sie zu zwingen, Deutschland zu verlassen.

Die UEFA EURO 2024, die Fußball-Europameisterschaft der Männer, fand im Sommer 2024 in Deutschland statt. Für die Gedenkstätte Buchenwald war dies Anlass, erstmals die Verbindungen zwischen Fußball und der Geschichte des KZ Buchenwald zu beleuchten. Die Ausstellung „Fußball und das KZ Buchenwald“ war von Juni bis September 2024 in der Gedenkstätte Buchenwald zu sehen. Dauerhaft abrufbar sind alle Ausstellungsinhalte und weitere Fallgeschichten online auf der Website der Gedenkstätte: www.buchenwald.de/geschichte/themen/dossiers/fussball

Informationsstele mit Illustration zweier Fußballspieler und der Überschrift „Fußball und das KZ Buchenwald“ auf dem Gelände der Gedenkstätte Buchenwald. Im Hintergrund sind weitere Tafeln sowie ein Gebäude mit hellem Putz und Steineinfassung zu sehen. Der Himmel ist klar und blau, das Gelände gepflegt.
Foto: Katharina Brand
©Gedenkstätte Buchenwald

Der sogenannte Anschluss Österreichs an das Deutsche Reich im März 1938 bedeutete auch eine Ausweitung des antijüdischen Terrors und der Verfolgungen. In Wien traf dies in besonderer Weise den jüdischen Sportverein Hakoah Wien, dessen Profifußballmannschaft lange Zeit zu den internationalen Aushängeschildern des österreichischen Fußballs gezählt hatte. Der Verein wurde aufgelöst und sein Stadion beschlagnahmt. Sein Mitbegründer und erster Präsident Fritz Löhner-Beda zählte zu den Männern, die über das KZ Dachau im September 1938 nach Buchenwald deportiert wurden. Er starb 1942 in Auschwitz. Die Wege einiger Hakoah-Spieler führten ebenfalls nach Buchenwald. Einer von ihnen war der Verteidiger und langjährige Mannschaftskapitän Ignaz Feldmann. Nach seiner Flucht in die Niederlande durchlief er verschiedene Lager, bevor er im April 1945 im Buchenwalder Außenlager in Ohrdruf bei Gotha befreit wurde. Aber auch nichtjüdische Fußballer gerieten in den Blick der Verfolger. Den Wiener Karl Glotzmann etwa, der als Profi für verschiedene Vereine aufgelaufen war, wies die Kriminalpolizei wegen seiner Vorstrafen als „Berufsverbrecher“ Ende 1940 in das KZ Buchenwald ein, wo er über vier Jahre blieb.

Informationsstele auf dem Gelände der Gedenkstätte Buchenwald mit historischem Foto einer jüdischen Fußballmannschaft, begleitet von einem Text über Fritz Löhner-Beda, einen der Gründungsväter des Vereins Hakoah Wien. Im Hintergrund ist ein langgestrecktes Gebäude mit rotem Satteldach zu sehen, das sich am Rande eines weiten, mit Gras und Schotter bedeckten Geländes befindet. Der Himmel ist blau und klar.
Foto: Katharina Brand
©Gedenkstätte Buchenwald

Unter den Männern, die während des Zweiten Weltkriegs aus allen Teilen des deutsch besetzten Europas in das KZ Buchenwald deportiert wurden, befanden sich ebenfalls viele mit einer Fußballvergangenheit, von denen in der Ausstellung und dem Blog nur einige exemplarisch vorgestellt werden konnten. Ihre Lebensgeschichten führten in die Niederlande, nach Italien, Ungarn, Spanien oder Frankreich. Neben Amateurfußballern standen Profis mit internationalen Karrieren. Zu den bis heute in Fußballkreisen bekannten Spielern zählten der ehemalige ungarische Nationalspieler und Olympiateilnehmer Henrik Nádler, der im KZ Bergen-Belsen starb, und der Franzose Eugène Maës. In den Jahren vor dem Ersten Weltkrieg war er ein populärer Mittelstürmer der französischen Nationalmannschaft. Weil er einen Scherz über deutsche Soldaten gemacht hatte, geriet er in die Fänge der Gestapo und kehrte nicht aus dem Konzentrationslager zurück.

Reihe von Informationsstelen auf dem Gelände des Konzentrationslagers Buchenwald bei blauem Himmel und sonnigem Wetter. Die im Vordergrund stehende Stele zeigt historische Schwarz-Weiß-Fotografien mit einer großen Gruppe von Häftlingen sowie einer Selektion durch SS-Personal. Weitere gelb-weiße Tafeln sind in der Tiefe entlang eines Weges angeordnet. Umgeben ist die Szenerie von Gras, Blumen, Schotterresten und Wald am Horizont.
Foto: Katharina Brand
©Gedenkstätte Buchenwald

Neben den Lebensgeschichten der Verfolgten fragte die Ausstellung nach der Rolle des Fußballs im Lager selbst. Wie in anderen Konzentrationslagern spielten Häftlinge auch in Buchenwald zeitweise Fußball. Viel ist hierüber jedoch nicht überliefert. Ein erstes Spiel fand an einem Sonntag im April 1939 auf Veranlassung der SS-Lagerführung auf dem Appellplatz statt: eine Mannschaft jüdischer Häftlinge musste gegen ein Team nichtjüdischer Häftlinge antreten. Danach duldete die SS weitere Spiele, zunächst weiterhin auf dem Appellplatz, später auf einem eigens eingerichteten Sportplatz im Häftlingslager, unterhalb der letzten Barackenreihe. Mit dem Bau des Kleinen Lagers Ende 1942 verschwand diese Spielstätte wieder und mit ihm das Fußballspielen hinter dem Stacheldraht. Berichten zufolge existierten zu Hochzeiten bis zu zwölf Häftlingsfußballmannschaften. Das Fußballspielen im Lager zeugt – und auch dies machte die Ausstellung deutlich – von der Hierarchisierung der Häftlingsgesellschaft. Denn nur eine Minderheit, zumeist privilegierter Häftlinge, war es unter den Bedingungen des Lagers überhaupt möglich, Fußball zu spielen, während die SS die Spiele und den Sportplatz dazu nutzte, den Schein der Normalität aufrechtzuerhalten und den verbrecherischen Charakter des Lagers zu vertuschen.

Infotafel über Fritz Förderer, einen ehemaligen Fußballnationalspieler und Trainer der Buchenwald-SS, vor dem historischen Lagertor mit Uhrenturm des Konzentrationslagers Buchenwald. Die Stele zeigt ein historisches Schwarz-Weiß-Foto einer Fußballmannschaft sowie begleitenden Text. Im Hintergrund das ikonische Lagertor mit den Aufschriften „Jedem das Seine“, flankiert von Bäumen und unter blauem Himmel.
Foto: Katharina Brand
©Gedenkstätte Buchenwald

Auch wenn die SS selbst Fußball spielte, erfüllte dies für sie eine Funktion: ihren Anspruch, die Elite der propagierten „Volksgemeinschaft“ zu sein, auf dem Spielfeld unter Beweis zu stellen. 1939 traten sie erstmals öffentlich bei Turnieren und in Freundschaftsspielen gegen Vereine aus der Region in Erscheinung – eine Mannschaft wie jede andere. Viel wissen wir nicht über sie. Ab Herbst 1940 spielten die SS-Fußballer kurz im regulären Ligabetrieb, bevor sie ihre Mannschaften aus unbekannten Gründen wieder zurückzogen.

Kein Unbekannter in der damaligen Fußballszene war der Mann, der die Fußballer der Buchenwalder SS ab Juni 1939 zeitweilig als Trainer betreute: der ehemalige deutsche Fußballnationalspieler Fritz Förderer. Als die SS ihn als Trainer anwarb, verdiente er hauptberuflich als Platzwart und Sportlehrer in Weimar sein Geld. Einer seiner größten Erfolge war der Gewinn der Deutschen Meisterschaft im Jahre 1910 im Trikot des Karlsruher FV. Zusammen mit Julius Hirsch und Gottfried Fuchs bildete er eines der besten Stürmertrios dieser Zeit. Weil sie aus jüdischen Familien stammten, waren seine beiden Mitspieler ab 1933 Diskriminierungen und Verfolgungen ausgesetzt. Gottfried Fuchs gelang die Flucht aus Deutschland. Julius Hirsch ermordete die SS 1943 in Auschwitz. Mit einem nach ihm benannten Preis würdigt der Deutsche Fußball-Bund seit 2005 Personen und Organisationen, die sich für Freiheit, Toleranz und Menschlichkeit einsetzen.

Maëlle Lepitre, wissenschaftliche Volontärin an der Gedenkstätte Buchenwald, erarbeitete die Ausstellung gemeinsam mit Michael Löffelsender.

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